Medicane

Ein Medicane Kurzform für „Mediterranean Hurricane“ (Mittelmeer-Hurrikan) ist ein seltenes, aber äußerst gefährliches Wetterphänomen, das sich über dem Mittelmeer bildet. Diese tropenähnlichen Wirbelstürme vereinen Merkmale von Hurrikans und außertropischen Stürmen und haben in den letzten Jahren zunehmend Aufmerksamkeit erregt. Doch wie entsteht ein Medicane, und warum ist er so gefährlich? Dieser Artikel beleuchtet die Entstehung und die potenziellen Risiken dieses außergewöhnlichen Naturereignisses.

Ein Medicane entsteht durch eine komplexe Kombination meteorologischer Bedingungen, die im Mittelmeerraum nur unter bestimmten Umständen zusammenkommen. Im Gegensatz zu tropischen Wirbelstürmen in den Tropen, die warme Meeresoberflächentemperaturen von mindestens 26 °C benötigen, kann ein Medicane bereits bei kühlerem Wasser entstehen typischerweise zwischen 15 und 25 °C. Die Entstehung lässt sich in mehreren Schritten beschreiben:
  • Kaltlufteinbruch in Höhenlagen: Der Prozess beginnt oft mit einem Kaltlufttropfen in der oberen Atmosphäre, der über das Mittelmeer zieht. Diese kalte Luftmassen treffen auf die relativ warme Meeresoberfläche, was zu einer starken Temperaturdifferenz führt.
  • Feuchtigkeitsaufnahme und Konvektion: Die warme Mittelmeerluft steigt durch die Erwärmung an der Wasseroberfläche auf und nimmt dabei große Mengen an Feuchtigkeit auf. Diese aufsteigende, feuchte Luft kühlt in der Höhe ab, kondensiert und bildet Wolken und Niederschläge der Motor eines jeden Sturmsystems.
  • Rotation durch Corioliskraft: Die Erdrotation sorgt dafür, dass die aufsteigenden Luftmassen eine Drehbewegung entwickeln. Obwohl die Corioliskraft im Mittelmeerraum schwächer ist als in tropischen Breiten, reicht sie aus, um eine zyklonale Struktur zu erzeugen oft mit einem klar erkennbaren Auge, ähnlich wie bei Hurrikans.
  • Verstärkung durch lokale Bedingungen: Starke Winde in der Höhe (Jetstreams) und die geografischen Gegebenheiten des Mittelmeers, wie die Begrenzung durch Berge (z. B. die Alpen oder der Atlas), können die Entwicklung eines Medicane zusätzlich fördern, indem sie die Luftströmungen bündeln und den Druckabfall verstärken.

    Die meisten Medicanes entstehen im Herbst oder frühen Winter (September bis Dezember), wenn das Mittelmeer noch warm ist, während gleichzeitig kühle Luftmassen aus dem Norden oder Nordwesten eindringen. Besonders häufig sind sie im westlichen Mittelmeer (Golf von Genua, Balearen) oder im Ionischen Meer zwischen Italien, Griechenland und Nordafrika zu beobachten.
    Ein prominentes Beispiel ist der Medicane „Ianos“, der im September 2020 Griechenland traf. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 120 km/h und extremen Regenfällen verwüstete er die Ionischen Inseln und Teile des Festlands. Überschwemmungen zerstörten Häuser, Straßen und landwirtschaftliche Flächen, während mindestens vier Menschen ums Leben kamen. Ein weiteres Beispiel ist der Medicane „Qendresa“ im November 2014, der Malta und Sizilien heimsuchte und erhebliche Schäden anrichtete.
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