Polarwirbel

Der Begriff “Polarwirbel” hat in den letzten Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen, insbesondere wenn ungewöhnlich kalte Winterperioden oder extreme Wetterlagen über Deutschland hereinbrechen. Doch was genau ist der Polarwirbel, wie funktioniert er, und welche Rolle spielt er für das Wettergeschehen in Mitteleuropa? Dieser Artikel beleuchtet das Phänomen und seine weitreichenden Folgen.
Der Polarwirbel, auch als “polarer Strahlwirbel” oder wissenschaftlich “arktischer Zirkumpolarwirbel” bezeichnet, ist ein großräumiges Windband, das in der Stratosphäre etwa 15 bis 50 Kilometer über der Erdoberfläche die Polarregionen umkreist. Er entsteht durch die starke Abkühlung der Luft über dem Nordpol im Winter, wenn die Sonne monatelang nicht aufgeht. Diese Kälte erzeugt einen kräftigen Temperaturgradienten zwischen der eisigen Polarluft und den wärmeren mittleren Breiten, der wiederum starke Westwinde in der Stratosphäre antreibt. Diese Winde zirkulieren in einer Art “Ring” um den Nordpol und halten die extrem kalte Luft in der Arktis eingeschlossen.

Der Polarwirbel ist im Winter am stärksten, wenn der Kontrast zwischen der kalten Polarregion und den südlicheren Breiten am größten ist. Im Sommer hingegen schwächt er sich ab, da die Sonneneinstrahlung die Temperaturunterschiede ausgleicht.

Der Polarwirbel wirkt wie eine meteorologische Barriere: Solange er stabil und stark ist, bleibt die kalte Polarluft weitgehend in der Arktis gefangen. Doch wenn dieser Wirbel geschwächt oder gestört wird, kann er tiefgreifende Auswirkungen auf das Wetter in tieferen Luftschichten – der Troposphäre – und damit auch in Deutschland haben. Solche Störungen können durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, darunter:
  • Plötzliche Stratosphärenerwärmung (SSW): Dabei erwärmt sich die Stratosphäre über der Arktis ungewöhnlich schnell, was den Polarwirbel schwächt oder sogar aufspaltet.
  • Jetstream-Dynamik: Der Jetstream, ein starkes Windband in der Troposphäre, ist eng mit dem Polarwirbel verknüpft. Eine Schwächung des Wirbels führt oft zu einer welligeren, instabilen Jetstream-Struktur.
Eine der bekanntesten Folgen ist der sogenannte “Kaltlufteinbruch”. Wenn der Polarwirbel aufbricht oder sich nach Süden ausdehnt, strömt arktische Kaltluft in die mittleren Breiten, einschließlich Mitteleuropa. Ein prominentes Beispiel war der Winter 2018, als das “Beast from the East” – eine massive Kältewelle – Ende Februar über Deutschland hereinbrach. Temperaturen sanken auf bis zu -20 Grad Celsius in manchen Regionen, begleitet von Schneefällen bis in die Niederungen. Ursache war eine plötzliche Stratosphärenerwärmung, die den Polarwirbel gespalten hatte, wodurch kalte Luftmassen ungehindert nach Süden vordringen konnten.
Ein instabiler Polarwirbel kann dazu führen, dass Kaltluft länger über Deutschland verweilt. Die wellige Struktur des Jetstreams “blockiert” dann oft die übliche Westwetterlage, die milde Atlantikluft bringt. Stattdessen dominieren Hochdruckgebiete über Skandinavien oder Russland, die kalte Ostwinde nach Mitteleuropa lenken. Solche Blockaden waren etwa im Januar 2021 verantwortlich für anhaltenden Frost und Schnee.

Auch im Frühjahr kann der Polarwirbel das Wetter beeinflussen. Wenn er sich spät im Jahr noch einmal verstärkt oder stört, können Kaltlufteinbrüche bis in den April oder Mai reichen. Ein Beispiel war der April 2017, als nach einem milden Frühling plötzlich Schnee und Frost zurückkehrten – ein Schock für die Landwirtschaft und die erwachende Natur.

Die Instabilität des Polarwirbels kann nicht nur Kälte, sondern auch indirekt andere Extreme fördern. Eine wellige Jetstream-Struktur begünstigt die Bildung von stationären Tiefdruckgebieten, die Starkregen oder Stürme mit sich bringen. So waren die heftigen Unwetter im Sommer 2021 (Flutkatastrophe in Westdeutschland) teilweise mit einer gestörten Zirkulation verbunden, die ihre Ursache in der Stratosphäre hatte.
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